Ich sehe, dass immer wieder das Thema Wertschätzung in meinen Blogs aufkommt. Es ist mir persönlich ein wichtiges Anliegen. Und ich denke, dass dieser Beitrag ähnlich dem letzten Beitrag wahrgenommen werden könnte, aber etwas in mir schreit förmlich danach diese Zeilen zu schreiben. Heute stolperte ich über ein für mich sehr berührendes Video eines Obdachlosen, der über seinen Hund spricht. Wie wichtig dieser für ihn ist und wie sehr ihn dieser Hund am Leben hält. Er sagt unter anderem: „Wenn Menschen an dir vorüber gehen und so tun als würden sie dich nicht sehen, als wärst du Nichts, dann fängst du an, dich wie ein Nichts zu fühlen."
Dieser Satz hat mich tief berührt.
Ich war neulich einen Freund besuchen und ging dazu in Kaisermühlen durch den Durchgang bei der U1. Da sitzt schon seit einigen Jahren oftmals eine ältere Dame und bittet um Geld. Ich sah sie schon von fern und bemerkte, als ich in meine Jacke griff, dass ich 2 € einstecken habe. Wenn ich ehrlich bin, wusste ich nicht mehr, dass ich sie einstecken habe, also dachte ich, die gebe ich gerne. Man kann das halten wie man möchte. Früher fiel es mir oft schwer obdachlosen Menschen zu begegnen. Ich wusste einfach nicht wie, fühlte mich irgendwie verantwortlich etwas zu geben, schuldig, schämte mich, wenn ich nichts gab oder war verlegen. An diesem Abend, als ich die 2€ Münze in meiner Jackentasche spürte, kam mir ein junger Mann entgegen. Als er die Frau sah, die ihm die Hand entgegenstreckte und ihn ansprechen wollte, drehte er ihr den Rücken zu. Er ging rückwärts an ihr vorbei und bevor er sie wieder sehen würde, drehte er sich in die andere Richtung, um dann vorwärts weiter zu gehen. Einfach, um sie nicht ansehen zu müssen. Ich sah ihn völlig entgeistert an. Mich hat das sehr berührt und betroffen gemacht. Ich weiß nicht, wie oft ich mich weg gedreht hatte als ich jung war. In dem Moment wurde mir aber zum ersten mal klar, wie geringschätzend dieses Verhalten war.
Es geht nicht darum, etwas zu geben. Das kann jeder halten wie er will. Ich gebe z.b. sehr gern, wenn Musik gespielt wird (aber nicht in der U-Bahn). Ich gebe, wenn ich gerade etwas in der Tasche stecken habe oder manchmal kaufe ich auch Obst oder Ähnliches, wenn ich vorher frage. Vermutlich tue ich das eher, damit ich mich gut fühle. Auch das ist OK für mich. Aber was ich mir angewöhnt habe, ist alle Menschen anzusehen und zu grüßen. Ein aufrichtiges Lächeln kostet nichts.
Dieses symbolische Wegdrehen steht für Vieles. Es gibt viele Teile in unserer Gesellschaft, die wir nicht sehen wollen. Das heißt aber nicht, dass sie dann nicht da sind. So können wir das auch mit uns selbst machen oder in der Partnerschaft. Wir schauen weg, nicht hin. Als wären die Probleme gelöst dadurch, dass man sich weg dreht.
Vielleicht sollten wir das eine oder andere mal einfach hinsehen und ein Lächeln schenken. Mehr wollte ich gar nicht anregen für heute. Mein Wunsch ist: uns mehr zu sehen im neuen Jahr. Ich wünsche euch allen ein wundervolles Jahr 2022, voller besonderer Begegnungen, mit anderen und mit uns selbst. Voller freudiger Momente, einzigartiger Erfahrungen, atemberaubenden Abenteuern und viel Liebe!
Hier noch der Link zu dem Video (leider nur in Englisch) – ich hoffe der Link bleibt länger noch aktiv: https://9gag.com/gag/aBn8oVZ